Lothar

Lothar
I
Lothar
 
[zu althochdeutsch hlut »berühmt«, eigentlich »laut«, und heri »Herr«], Herrscher:
 
 Röm. Kaiser:  
 1) Lothar I., Mitkaiser (seit 817), Kaiser (840-855), * 795, ✝ Prüm 29. 9. 855, Vater von 3); ältester Sohn Ludwigs des Frommen, wurde durch die Erbfolgeregelung (Ordinatio Imperii) von 817 gegen das fränkische Teilungsprinzip zum Mitkaiser und Nachfolger des Vaters bestimmt; seine Brüder erhielten Unterkönigtümer. Lothar ging 822 nach Italien; 825-829 war er Mitregent am Kaiserhof. Während der Erhebungen gegen Ludwig den Frommen regierte er 830 und 833/834 kurze Zeit allein, musste sich aber 834 dem Vater unterwerfen und wurde nach Italien verbannt. Nach dem Tod Ludwigs des Frommen 840 versuchte Lothar, die Regelung von 817 durchzusetzen, wurde aber 841 bei Fontenoy von seinen Brüdern Ludwig (dem Deutschen) und Karl (dem Kahlen) geschlagen. Im Vertrag von Verdun erhielt er 843 einen schmalen Streifen von Mittelitalien bis Friesland, der den Raum zwischen Schelde, Maas, Saône und Rhone, Rhein und Alpen umfasste. Lothar kehrte nicht mehr nach Italien zurück - dort trat sein Sohn Ludwig II. die Nachfolge an - und teilte das übrige Mittelreich kurz vor seinem Tod 855 zwischen seinen Söhnen Karl (von der Provence) und Lothar (II.) auf.
 
 
 
Der Vertrag von Verdun, hg. v. Theodor Mayer (1943);
 E. Hlawitschka: Vom Frankenreich zur Formierung der europ. Staaten- u. Völkergemeinschaft (1986).
 
 Heiliges Röm. Reich:  
 2) Lothar III., Lothar von Sụpplinburg, König (seit 1125), als Kaiser (seit 1133) eigentlich Lothar II., Herzog von Sachsen (ab 1106), Graf von Süpplingenburg (bei Braunschweig), * 1075, ✝ Breitenwang (bei Reutte, Tirol) 4. 12. 1137, Ȋ 1100 mit Richenza; wurde zum mächtigsten Fürsten nördlich des Mains, u. a. setzte er 1123 eigenmächtig Markgraf Konrad (I.) von Wettin in Meißen ein; schlug als Führer des sächsischen Aufstandes das Heer Kaiser Heinrichs V. im Welfesholz bei Hettstedt (11. 2. 1115. Nach Heinrichs Tod wurde er am 25. 8. 1125 gegen dessen Neffen, den Staufer Friedrich II., den Einäugigen, Herzog von Schwaben, zum König gewählt und von Erzbischof Adalbert I. von Mainz vorzeitig ausgerufen. Den protestierenden Herzog Heinrich den Schwarzen von Bayern gewann er durch ein Eheversprechen (Vollzug der Ehe von Lothars Tochter Gertrud mit dessen Sohn Heinrich X., dem Stolzen, 1127), sodass Lothar am 13. 9. 1125 gekrönt wurde. Der Welfe unterstützte Lothar auch gegen die Staufer, die 1127 Konrad (III.) zum Gegenkönig erhoben, der sich Lothar erst 1135 unterwarf. Lothar setzte die Reichshoheit gegen Polen, Böhmen und die Dänen durch. Er förderte die deutsche Ostsiedlung (1134 Übertragung der Nordmark an Albrecht den Bären, 1136 der Lausitz an Konrad von Wettin; Pleißenland, Kloster Chemnitz), Markt- und Städtewesen sowie die Hanse. Symbolisch leistete er im März 1131 Papst Innozenz II. in Lüttich Strator- und Marschalldienst und führte den vom Gegenpapst Anaklet II. vertriebenen Papst 1133 für kurze Zeit nach Rom zurück, wo Lothar am 4. 6. 1133 zum Kaiser gekrönt wurde. Lothar erhielt Zugeständnisse in der Investiturfrage und die Mathild. Güter zu Lehen, die er sofort an Heinrich den Stolzen von Bayern weitergab. Ein zweiter Italienzug 1136/37 blieb trotz anfänglicher Erfolge ohne größere Wirkung. Lothar starb auf dem Rückweg und wurde in Königslutter am Elm bestattet. - Seine pragmatische Haltung gegenüber der Kurie und die konsequente Ausnutzung der Reichskirche als Herrschaftsinstrument fanden erst in der neueren Forschung Anerkennung.
 
 
H. W. Vogt: Das Herzogtum L.s von Süpplingenburg 1106-1125 (1959);
 M.-L. Crone: Unterss. zur Reichskirchenpolitik L.s III. (1125-37) zw. reichskirchl. Tradition u. Reformkurie (1982);
 L. Speer: Kaiser L. III. u. Erzbischof Adalbert I. von Mainz (1983).
 
 3) Lothar II., fränkischer König (seit 855), * um 835, ✝ Piacenza 8. 8. 869, zweiter Sohn von 1); erhielt 855 das nördliche Drittel des Mittelreiches (nach ihm Lotharingien genannt). Nach seinem Tod wurde es 870 im Vertrag von Meerssen zwischen Ludwig III. und Karl dem Kahlen geteilt. Versuche Lothars, die Scheidung seiner kinderlosen Ehe mit Theutberga durchzusetzen und die Nachfolge seines Sohnes Hugo aus einer Friedelehe mit Waldrada zu sichern, blieben wegen des Widerstandes Papst Nikolaus' I. erfolglos.
 
 4) Lothar, König von Westfranken (Frankreich, seit 954), * 941, ✝ Laon 2. 3. 986, Sohn Ludwigs IV.; stand lange unter dem Einfluss seines Onkels, Kaiser Ottos I. (✝ 973). Er beherrschte nur karolingische Restgebiete und versuchte mehrfach vergeblich, sie in Lothringen zu erweitern (978, 984/985).
 
 Italien:  
 5) Lothar, König (seit 931), ✝ 950; Sohn König Hugos von Italien, mit dem er bis 947 gemeinsam regierte. Seine Witwe Adelheid heiratete 951 den späteren Kaiser Otto I.
 
 Mainz:  
 6) Lothar Frạnz Reichsgraf (seit 1701, bis dahin Freiherr) von Schönborn, Erzbischof von Mainz, * Aschaffenburg 4. 10. 1655, ✝ Mainz 29./30. 1. 1729; für den geistlichen Stand bestimmt, studierte in Wien, wurde 1689 Präsident der Hofkammer in Bamberg, 1693 dort Bischof, 1694 Koadjutor in Mainz, 1695 zum Erzbischof von Mainz gewählt und damit auch Erzkanzler des Heiligen Römischen Reichs. Er setzte sich für die Stärkung der Zentralgewalt ein und verwendete sich bei der Kaiserwahl 1711 für Karl VI. Seine Förderung der Wirtschaft und des Handels verschaffte Mainz einen wirtschaftlichen Aufschwung. Die Baukunst unterstützte er großzügig (»Vater des fränkischen Barock«).
 
II
Lothar,
 
1) Ernst, ursprünglich E. Lothar Mụ̈ller, österreichischer Schriftsteller, * Brünn 25. 10. 1890, ✝ Wien 30. 10. 1974; 1925-33 Theaterkritiker; wurde 1935 Leiter des Theaters in der Josefstadt in Wien; 1938 emigrierte er zunächst nach Paris, dann in die USA; nach seiner Rückkehr (1946) tätig als Kritiker, Essayist (»Macht und Ohnmacht des Theaters«, 1968) und Regisseur, u. a. am Burgtheater und bei den Salzburger Festspielen. Von A. Schnitzler beeinflusster Erzähler (»The angel with his trumpet«, 1944; deutsch »Der Engel mit der Posaune. Roman eines Hauses«); Gesellschafts- und Zeitdarstellungen aus der Zeit nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie.
 
Ausgabe: Ausgewählte Werke, 6 Bände (1961-68).
 
 2) Mark, Komponist, * Berlin 23. 5. 1902, ✝ München 6. 4. 1985; Schüler u. a. von E. Wolf-Ferrari, war 1934-44 in Berlin musikalischer Leiter am Staatlichen Schauspielhaus unter G. Gründgens, 1945-55 in München am Bayerischen Staatstheater. Er schrieb in einem gemäßigt modernen Stil Spielopern, Schauspiel- und Filmmusik, Kammermusik und Lieder.
 
Werke: Musiktheater: Schneider Wibbel (1938); Rappelkopf (1958); Der widerspenstige Heilige (1968); Momo und die Zeitdiebe (1978, nach M. Ende); Die Geschichte vom faulen Bären (1978).
 
 
M. L., hg. v. F. Messmer u. a. (1986).
 
 3) Rudolf, eigentlich R. L. Spịtzer, weitere Pseudonyme T. Thomas, Angelo Cana, Battistini, österreichischer Schriftsteller und Kritiker, * Budapest 23. 2. 1865, ✝ ebenda 2. 10. 1943; als Mitarbeiter der »Neuen Freien Presse« bis 1907 in Wien, dann beim »Lokal-Anzeiger« in Berlin, wo er 1912 das Komödienhaus gründete; 1933 Rückkehr nach Wien, 1938 nach Budapest; schrieb neben weniger erfolgreichen Romanen über 60 Dramen, Opern- und Operettentextbücher (»Tiefland«, 1903).
 
 4) [lɔ'taːr], Susanne, Schauspielerin, * Hamburg 15. 11. 1960; Tochter der Schauspieler Hanns Lothar (* 1929, ✝ 1967) und Ingrid Andree; spielte am Hamburger Thalia Theater und in Köln; seit 1986 gehört sie dem Deutschen Schauspielhaus Hamburg an, wo sie (unter der Regie von P. Zadek) in der Rolle der Lulu (1988) Aufsehen erregte; übernahm auch Film- und Fernsehrollen.
 
 
Filme: Eisenhans (1983); Winckelmanns Reisen (1991); Der Berg (1991); Geschäfte (Fernsehfilm, 1995); Funny Games (1997).

Universal-Lexikon. 2012.

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